Siebold

Siebold

Philipp Franz Balthasar von Siebold (1796-1866), geboren im bayerischen Würzburg, stammte aus einer Arztfamilie. Philipps Großvater, Vater und seine beiden Onkel waren Professoren der Medizin an der Universität seiner Heimatstadt. 1815 nahm auch Siebold ein Medizinstudium in Würzburg auf.

1822 wurde er zum Stabsarzt in der niederländisch-indischen Armee ernannt, die in Batavia stationiert war. Dort wurde schon bald der Generalgouverneur auf ihn aufmerksam. Siebold schien die ideale Person für die Entsendung nach Japan zu sein, einem Land, das in der sich verändernden Weltpolitik eine zentrale Rolle spielt. Bis dahin war Japan eine unbekannte Macht mit hermetisch abgeschlossenen Grenzen. Handel war zwar erlaubt, aber auf einen Handelsposten auf der eigens dafür errichteten künstlichen Insel Dejima beschränkt.

Siebold kam 1823 auf Dejima an mit dem Auftrag, Informationen über Japan, den Handel mit Japan und das japanische politische System zu sammeln. Ausländern war es nicht erlaubt, Dejima zu verlassen, aber als Arzt standen ihm andere Wege offen. Nachdem er einen einflussreichen örtlichen Beamten geheilt hatte, durfte er eine kleine Klinik außerhalb des Handelspostens eröffnen und japanischen Patienten Hausbesuche abstatten.

Unmittelbar nach seiner Ankunft nahm er Kontakt zu japanischen Medizinern und Naturwissenschaftlern auf. Einige von ihnen, die die niederländische Sprache in Wort und Schrift beherrschten, wurden Rangakusha genannt - wörtlich: Holland-Gelehrte. Siebolds Haus entwickelte sich bald zu einem Zentrum von Begegnungen, Vorträgen und Diskussionen, wobei der Gastgeber als Experte der westlichen Wissenschaften anerkannt und geschätzt wurde. Kein Wunder, dass Niederländisch in jener Zeit als "das Latein des Ostens" angesehen wurde!

Er erwarb sich auch einen guten Ruf als Arzt. Er unternahm viele Hausbesuche in der Umgebung. Er durfte für diese Besuche jedoch keine Bezahlung erhalten, sondern bekam stattdessen oft Geschenke von dankbaren Patienten. Damit legte er den Grundstein für seine ethnografische Sammlung. Nach dem Vorbild von Jan Cock Blomhoff (1779-1853), dem holländischen Kommandanten von Dejima zwischen 1818 und 1823, und dem Buchhalter Johannes van Overmeer Fisscher (1800-1848) gelang es ihm, eine große Anzahl von Haushaltsgegenständen, Drucken, Materialien und Kunsthandwerk zu erwerben.

Siebold konzentrierte sich auf das Sammeln von Pflanzen, Tieren, Samen und Gebrauchsgegenständen aller Art und beauftragte Künstler, Tiere, Gegenstände und Bräuche auf Papier festzuhalten. Außerdem sammelte Siebold auf seinen Ausflügen so viel Naturmaterial wie möglich. Seine Schüler brachten ihm Pflanzen, Tiere und Gestein, und er beauftragte drei Jäger, besondere Tiere für ihn zu sammeln.

Im Jahr 1825 wurden ihm zwei Assistenten aus Batavia zugewiesen: der Apotheker Heinrich Bürger und der Zeichner C.H. de Villeneuve. Bürger war eine wichtige Hilfe beim Sammeln, und ab 1828 war er Siebolds Nachfolger. Verteilt über die Jahre von Siebolds Aufenthalt in Japan wurde das naturkundliche Material in vier Frachtladungen in die Niederlande verschifft. Die letzte Ladung nahm er mit, als er Ende 1829 gezwungen wurde, Japan zu verlassen. Bürger blieb jedoch auf Dejima und schickte in den folgenden Jahren drei weitere Frachtladungen. In den Niederlanden bilden die Ladungen, die insgesamt etwa 10.000 Objekte umfassen, bis zum heutigen Tag die japanischen Sammlungen des Nationalen Naturhistorischen Museums Naturalis und des Nationalen Herbariums der Niederlande.

Die große Zahl der von Siebold und Bürger in die Niederlande gesandten Tiere ermöglichte es den Zoologen Temminck (Coenraad Jacob, 1778-1858), Schlegel (Hermann, 1804-1884) und De Haan (Wilhelm, 1801-1855), die japanische Fauna zu beschreiben. Als ihre Forschungsergebnisse in der "Fauna Japonica" (erschienen zwischen 1833 und 1850) veröffentlicht wurden, machte dieses Werk die japanische Fauna auf einen Schlag von einer praktisch unbekannten zu der am besten beschriebenen Fauna aller außereuropäischen Länder.

Nach einer mehrmonatigen Reise nach Edo, dem heutigen Tokio, wo Siebold neben vielen Gebrauchsgegenständen auch Landkarten von Japan in die Hände bekam, sollte er nach seiner Rückkehr nach Dejima unverzüglich nach Java aufbrechen. Die Gebrauchsgegenstände wurden schon vorab nach Dejima geschickt. Die Landkarten wurden jedoch entdeckt, und Siebold wurde der Spionage für den russischen Staat beschuldigt. Der Besitz von Landkarten war nämlich strengstens verboten. Nach einer Zeit des Hausarrests und nach verschiedenen Nachforschungen wurde Siebold im Oktober 1829 endgültig aus Japan verbannt. Zu diesem Zeitpunkt wusste er nicht, dass dieses Verbannung später aufgehoben werden würde.

Bis dahin waren Teile seiner Sammlung in Leiden, Gent, Antwerpen und Brüssel aufbewahrt worden. Siebold beschloss, sich in Leiden in der Rapenburg Nummer 19 niederzulassen. Ab 1831 öffnete Siebold seine Sammlung für die Öffentlichkeit, und nach einigem Drängen kam König Wilhelm I. seinem früher geäußerten Interesse an der Siebold-Sammlung nach. Die Den Haager Sammlung "Koninklijk Kabinet van Zeldzaamheden", die Kollektionen von Blomhoff und van Overmeer Fisscher sowie die Sammlung von Siebold wurden schließlich zusammengelegt. Siebolds Sammlung wurde vom Staat erworben und das neue Museum wurde zum Vorgänger des heutigen Museums für Völkerkunde in Leiden.

Siebold spielte weiterhin eine wichtige Rolle als Berater in japanischen Angelegenheiten. 1859 reiste er noch einmal nach Japan.

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